Antwort von OB Fritz Kuhn zum Thema "Verkehr und Mobilität"

Frage #15, eingereicht von "Quarzz"​

Um in Stuttgart Mobilität und Verkehrsfluss sicherzustellen müssten neue (tangentiale) Linien geschaffen werden. Bitte bewerten Sie die folgenden Linienvorschläge und geben Sie uns einen Ausblick wie Sie deren Entwicklung sehen und fördern wollen:

  1. Eine Touristenlinie vom Stadion über die Haltestelle Wasen (Straßenbahnwelt), Wilhelma, Rosensteinpark, Löwentor (Naturkundemuseum) Pragfriedhof, Bibliothek, HBF , Waldau zum Fernsehtrum.
  2. Eine Tangentiale auf der Schusterbahn von Esslingen über den Ebitzweg nach Kornwestheim. Diese entlastet nicht nur den Hauptbahnhof sondern erschließt auch neuen Bürgern direkten Zugang zur Bahn.
  3. Tangentialer S-Bahnverkehr von LB über die Gäubahn nach Vaihingen
  4. Eine Verlängerung der Strohgäubhan von Korntal nach Kornwestheim (!). Dies schafft völlig neue Anschlüsse und Relationen ohne die S60 zu blockieren.
  5. Vereinen der S60 mit der Schönbuchbahn um vielen Bürgern einen besseren Zugang zu ihren Arbeitsplätzen zu schaffen.
  6. Schaffung einer neuen Stadtbahnlinie von XXL in Fellbach entlang der Stuttgarter Straße am GEWO-Tower und den Einkaufsmärkten vorbei, zum KKH Cannstatt, weiter zur U2 und zum Max-Eyth-See (Mit ist bewusst, dass die letzten Vorschläge nicht im Stuttgarterstadtgebiet liegen - diese haben aber m.E. dennoch großen Einfluss auf den Verkehr in Stuttgart und müssen auch mit Stuttgarter Initiative vorangetrieben werden).
Darüber hinaus würde ich gerne wissen warum die Schönbuchbahn und die Strohgäubahn und die Züge auf der Schusterbahn nicht in den Liniennetzplan des VVS integriert werden (und ggf. sogar eine S-Bahn-Liniennummer erhalten).

Antwort von OB Fritz Kuhn

Liebe/r "Quarzz",

vielen Dank für Ihre interessanten Ideen zur Weiterentwicklung des ÖPNV in der Landeshauptstadt Stuttgart und den angrenzenden Landkreisen. Gerne nehme ich zu den einzelnen Vorschlägen Stellung:

  1. Die von Ihnen vorgeschlagene Touristenlinie verknüpft viele Stuttgarter Sehenswürdigkeiten auf direktem Weg und wäre so gesehen für Stuttgart-Touristen sicher interessant. Stuttgart ist aber bereits sehr gut für Touristen erlebbar. Denn die von Ihnen genannten Sehenswürdigkeiten werden ja bereits von touristischen Linien angefahren: Die Oldtimer-Linie 23 entspricht mit dem Fahrweg Straßenbahnwelt-Löwentor-Ruhbank (Fernsehturm) weitgehend dem Verlauf der von Ihnen angeregten Linie. Auch die neu eingerichtete Stuttgart CityTour, die als touristische Hop-on-Hop-off-Buslinie mit roten Cabrio-Doppeldeckerbussen die bekanntesten Stuttgarter Sehenswürdigkeiten direkt miteinander verbindet und sehr gut ankommt, verläuft abschnittsweise parallel zu der von Ihnen angeregten Linie. Insofern denke ich, dass wir in Stuttgart in Sachen touristischem Linienverkehr sehr gut aufgestellt sind.
  2. Die Aufgabenträgerschaft der Landeshauptstadt Stuttgart bezieht sich nur auf die Busse und Stadtbahnen im Stadtgebiet. Für die Schusterbahn ist der Verband Region Stuttgart der zuständige Aufgabenträger. In der Vergangenheit hat der Verband Region Stuttgart mehrfach einen Ausbau der Schusterbahn untersuchen lassen, wobei aber leider keine gute Lösung für einen Angebotsausbau gefunden wurde. Das muss aber nicht bedeuten, dass sich langfristig nicht vielleicht doch eine Perspektive für eine Taktverdichtung und/oder Verlängerung der Schusterbahn ergeben könnte: Wir leben in einer Wachstumsregion - Jahr für Jahr steigen die Einwohnerzahlen und der Bedarf an attraktivem öffentlichem Nahverkehr in Stuttgart und Umland.
  3. Nachdem es gelungen ist, den Bahnhof Stuttgart Vaihingen zukünftig mit einem Regionalzughalt aufzuwerten, bestehen für eine Nutzung der Gäubahn innerhalb von Stuttgart zahlreiche interessante Zukunftsperspektiven. In der nächsten Zeit müssen verschiedene Varianten, wie nach einer Inbetriebnahme von Stuttgart21 die Gäubahnstrecke am sinnvollsten genutzt werden kann, geprüft werden. Die Einrichtung von Zügen, die Stuttgart-Vaihingen über Feuerbach mit Ludwigsburg verbinden, ist dabei eine Variante.
  4. Leider können durchgehende Regionalzüge von der Strohgäubahn bis nach Kornwestheim nicht ohne weiteres angeboten werden, sagen mir die Fachleute. Dies liegt daran, dass die beiden Systeme Strohgäubahn und S-Bahn technisch nur bedingt kompatibel sind: Während die Strohgäubahn mit Dieseltriebwagen bedient wird, fahren die S-Bahnen elektrisch. Gleiches gilt für die Einstiegshöhe, die sich bei der S-Bahn und Strohgäubahn so stark unterscheidet, dass unterschiedlich hohe Bahnsteigkanten erforderlich sind. Aber die von Ihnen angeregte S-Bahn-Verbindung kann eine interessante Option für die Zukunft sein.
  5. Eine Verschmelzung der S60 und der Schönbuchbahn zu einer durchgehenden Linie von Renningen über Böblingen nach Dettenhausen könnte eine attraktive Tangentialverbindung in direkter Nachbarschaft zur Landeshauptstadt Stuttgart darstellen. Doch auch hier gilt, wie bei Ihrem Vorschlag 4 erwähnt, dass die beiden Systeme Schönbuchbahn und S-Bahn technisch nur bedingt kompatibel sind. Die Linie S60 wird derzeit im Berufsverkehr von Renningen über Leonberg bis Stuttgart-Schwabstraße verlängert. Dies führt zu den nachfragestärksten Zeiten zu einer Vielzahl attraktiver Direktverbindungen. Würde man nun aber die S60 mit denselben Fahrzeugen wie die der Schönbuchbahn bedienen, um eine Direktverbindung Renningen-Dettenhausen herzustellen, könnten die Züge nicht mehr über Renningen hinaus nach Stuttgart weitergeführt werden. Es gibt aber noch einen weiteren Grund, der die von Ihnen vorgeschlagene Verknüpfung von S60 und Schönbuchbahn erschwert: Eine Verbindung der beiden Bahnen würde bedeuten, dass die Gleise 2, 3 und 4 im Bahnhof Böblingen - die intensiv von S-Bahnen sowie Regional-, Fern- und Güterzügen genutzt werden - gequert werden müssten. Eine derartige Querung würde entweder den Betriebsablauf auf dem Durchgangsgleis stark beeinträchtigen oder müsste als Unter- oder Überführung ausgeführt werden. Vor diesem Hintergrund halte ich es für nachvollziehbar, dass eine Verbindung der S60 von den zuständigen Aufgabenträgern - dem Verband Region Stuttgart und dem Zweckverband Schönbuchbahn - derzeit nicht verfolgt wird.
  6. Vielleicht würde eine derartige Stadtbahnverbindung für bestimmte Fahrgäste einen Vorteil bringen. Aber nicht alles, was wünschenswert erscheint, lässt sich verwirklichen - wirtschaftlich, verkehrlich, bautechnisch. Realistisch betrachtet sehe ich für eine Umsetzung Ihres Vorschlags derzeit leider keine Möglichkeit.
Bei der Strohgäu-, Schönbuch- und Schusterbahn handelt es sich um Regionalbahnlinien. Aus diesem Grund sind sie im S-Bahn-Liniennetz nicht dargestellt. Auf anderen VVS-Plänen, wie dem Verbund-Schienennetz oder den Verkehrslinienplänen sind die drei Bahnen aber selbstverständlich eingezeichnet. Die Strohgäu-, Schönbuch- und Schusterbahn haben keine S-Bahn-Liniennummern weil sie bestimmte Standards, z.B. hinsichtlich Fahrplanangebot und Fahrzeugeinsatz, nicht erfüllen.

Die Aufgabenträger in der Region sind aber auch nicht untätig. Im vergangenen Jahr konnte mit dem Land, der Region Stuttgart und den Landkreisen der ÖPNV-Pakt geschmiedet werden. Damit wurde ein jahrzehntelanger Konflikt um Zuständigkeiten endlich beendet und Aufgaben neu verteilt. Ergebnis dieses Pakts ist es auch, dass der Verband Region Stuttgart nun an der Einrichtung von Express-Bus Linien arbeitet, die in Tangentialverbindung an Stuttgart vorbeifahren. Denn wenn man von Leonberg an den Flughafen möchte, muss man wirklich nicht über den Hauptbahnhof fahren.

Nun hoffe ich, dass ich Ihnen - unter Zuhilfenahme unserer Experten - die Zusammenhänge deutlich machen konnte. Die Antworten sind dabei extra ausführlicher ausgefallen, damit auch Nichtkenner der angesprochenen Verkehrsverbindungen die Gründe nachvollziehen können.

Mit freundlichen Grüßen

Oberbürgermeister Fritz Kuhn